Hallo Herr Müller, Sie sind einer der wenigen PR-Berater in Südwestfalen. Schön, dass Sie sich Zeit nehmen für dieses Interview. Unser Thema ist erfolgreiches Storytelling und deshalb will ich direkt mit der „Tür ins Haus fallen“: Worauf muss man beim Storytelling achten? Welche Do’s und Dont’s gibt es?
Die Geschichte muss stimmig sein! Damit ist erst einmal nicht der Wahrheitsgehalt gemeint, sondern rein die Dramaturgie. Eine gute Geschichte braucht eine packende Handlung. Und sie braucht einen Helden. Und sie muss natürlich gut ausgehen. Das funktioniert aber „semi“, wenn man die Aufmerksamkeit bloß auf ein Produkt lenken will. Aber wenn das Produkt ein „Weltverbesserer“ ist und die Story es schafft, dass sich Leser oder Hörer mit den Protagonisten identifizieren kann, dann kann das Erzählte ins Hirn und ins Herz gehen. Die Geschichte bekommt dann den richtigen Spin. Eine gute Geschichte braucht kein permanentes Branding des Unternehmens, das ist sogar kontraproduktiv. Der Zusammenhang erschließt sich aus der Geschichte selbst. Storytelling ist somit keine Werbung. Sie ist wirkungsvolle Kommunikation mit langer Haltbarkeit.
Was man nicht machen sollte? Man kann mit Geschichten wenig falsch machen, außer man erzählt sie langweilig.
Wo liegen vor allem die Vorteile von Storytelling in der Kommunikation und PR?
Geschichten sind die älteste Form der Menschheit, um Erinnerungen, Ereignisse und aktuelle Themen zu vermitteln. Storys berühren Menschen und schaffen eine starke Identifikation. Wir lassen uns gerne mitnehmen – übrigens auch wenn wir durchschauen, dass es reines Marketing ist. Denn im Vergleich zu klassischen Produkt- oder „Besser-Weiter-Höher“-Meldungen unterhält sie uns gut. Wir lassen sie bereitwillig in unseren Kopf und in unsere Erinnerungen.
Kann es auch Nachteile geben?
Die Nachteile liegen in der Seriosität. Es gibt Branchen die eine schlichte, klare Kommunikation voraussetzen. Zudem birgt Storytelling die Gefahr, dass Geschichten falsch verstanden werden können. Denn eine gute Geschichte erzählt mehrdimensional, um richtig zu ankern. Da kann der Empfänger schon mal „falsch abbiegen“.
Wie sticht man durch gutes Storytelling aus der Masse hervor?
Durch Mut! Einfach einmal gegen den Kamm bürsten hilft beim Geschichtenerzählen. Kunden müssen dazu auch bereit sein. Sie brauchen also auch Mut für die Entscheidung mal anders zu kommunizieren. Um eine gute Story zu präsentieren, braucht es zudem Fantasie. Ein Acht-Stunden-Schreibtischjob in einer klassischen Agentur ist dafür eher ungeeignet. Hier findet man auch einen Grund dafür, dass Storytelling immer noch so selten zur Anwendung kommt.
Wie sollte sich Storytelling im Hinblick auf verschiedene Zielgruppen unterscheiden?
Gute Geschichten in der Kommunikation und PR spielen immer mit den Grenzen des Sinnzusammenhangs des Publikums. Und die sind bei den verschiedenen Zielgruppen oft weit verschoben. Ist man auf der Suche nach der Ansprache junger Menschen (z.B. mögliche neue Azubis), sollte man mit jungen Kreativen im Team zusammenarbeiten. Ich mache das gerne und lasse mir ihre Welt erklären oder mich in ihre Lebenswelt mitnehmen. Die Muster (Helden sind ein Muss, der Plot muss stimmig und spannend sein) bleiben übrigens in allen Zielgruppen ähnlich. Aber die Helden ändern sich und auch Rhythmus, Tempo und Kulissen können sich stark unterscheiden. Leider muss man mit der Tatsache leben, dass sich die Gesellschaft immer stärker in kleinere Zielgruppen aufteilt. Das macht auch das Storytelling anstrengend. Aber wenn es einfach wäre, braucht es ja keine Kommunikationsexperten ;0)